Gemeindefahrt ins Molise vom 10. – 21.10.2023
Dies ist Gernots 100. Italienreise,
die 67. mit Robert gleicherweise.
Dienstag, 10.10.2023
Wir brechen auf zur Gemeindefahrt,
organisiert auf bewährte Art.
Auch Robert bleibt uns wieder treu,
allein der Bus ist fast ganz neu.
Die Gruppe ist altvertraut seit Jahren,
nur trifft man einander mit helleren Haaren.
Ins Molise wollen wir fahren,
um dort acht Tage zu verweilen.
Man beschloß vor nunmehr sechzig Jahren,
das Molise von den Abruzzen abzuteilen.
Correggio bei Modena
ist heute das Etappenziel.
Um 17:30 Uhr sind wir da,
so wird es niemandem zu viel.
Mittwoch, 11.10.2023
Dies ist einer der ruhigeren Tage,
dennoch lohnt es, zu berichten.
Wir gleiten auf der Autobahn,
schauen uns die Landschaft an,
erfreuen uns an weiter Sicht
in spätsommerlichem Licht.
Die Etappe ist recht weit,
geschmückt von mancher Sehenswürdigkeit:
bei Loreto thront das Marienheiligtum,
gegenüber liegt Mare Adriaticum.
Mit Gedichten und Geschichten
von Schlüsseln, Portemonnaies und Uhren,
die verloren und gefunden,
steigert Gernot den Genuß.
Robert ist ganz Herr der Lage,
wiegt uns sanft im Reisebus;
den hält er gleichmäßig auf Touren,
balanciert auf schmalen Spuren,
bringt uns heil über die Runden,
läßt vorn den Blendschutz aufgerollt:
„weil ihr was sehen können sollt“.
Nach verwickeltem Straßenverlauf
parkt er rückwärts steil bergauf
in Termoli vor dem Quartier;
um 16:45 Uhr sind wir hier.
Ein Drei-Gänge-Menü gibt ’s zum guten Schluß.
Wie schön ist ’s, so verwöhnt zu werden,
wir sind im Paradies auf Erden.
Donnerstag, 12.10.2023
Wohin die Römer expandierten,
entsprach es ihrem alten Brauch,
daß sie Amphitheater konstruierten;
so war es in Larino auch.
Die Arena, groß, kreisrund,
war der Hort der Emotionen;
die wurden nicht nur kultiviert,
sondern regelrecht geschürt.
Heute leben auf dem Grund
Alpenveilchen, Krokus, Kraut;
seltene Insektenarten
finden Raum in diesem Garten,
Eichelhäher rufen laut.
In der milden, warmen Luft
liegt ein frischer Minzeduft.
Hier wird ein Rundgang immer lohnen.
An drei Kirchen im Revier
sind wir weiters interessiert
der uralten Portale wegen.
Ornamente und Gestalten,
Engel, Adler, Hirsch und Stier,
phantastische Misch- und Fabelwesen
sind der Bögen reiche Zier.
Sie sind teils grob, teils fein ziseliert,
gereinigt und nach Bedarf restauriert,
ansonsten erstaunlich gut erhalten.
Die Menschen damals konnten kaum lesen,
deshalb hat man die Bildersprache gewählt
und darin religiöse Geschichten erzählt.
Im Garten, um Santa Maria gelegen,
sind schattenspendende Bäume gruppiert.
Dort machen wir Rast mit Mariens Segen,
bevor Robert uns tapfer nach Hause kutschiert.
Freitag, 13.10.2023
Kaiser Friedrich der Zweite,
der schon während seines Lebens
großer Berühmtheit sich erfreute,
löste viel Verschiedenes aus.
Seine politischen Kollegen
loben ihn zum Teil bis heute,
stellen seine Stärken heraus
als Herrn der Weisheit, genialen Strategen.
Durch Friedrichs große Offenheit
gegenüber anderem Glauben
geriet die Geistlichkeit ins Schnauben:
er sei ein Ketzer, ein Verräter,
ein ganz verruchter Übeltäter.
Die waren ganz und gar dagegen,
bekämpften letztlich ihn vergebens.
Das Erinnern an ihn hat bis heute Bestand,
deshalb ist er vielen gegenwärtig bekannt.
Sein Leben war von Beginn kompliziert,
wie für jeden, der früh seinen Vater verliert.
Das Erbe, mit dem er konfrontiert,
überforderte ihn sehr.
Später tat sein Sohn seinen Willen nicht mehr,
also zog er ihn kurzerhand aus dem Verkehr.
Woran Friedrich schließlich gestorben war,
ist den Forschern noch immer nicht klar.
Nach Castel Fiorentino, wo Friedrich starb,
ein Teil der Gruppe sich kraxelnd begab.
Der andere Teil beschloß zu warten
bei Gebäck und aromatischen Getränken.
Ein Bauer mit Traktor brachte Tomaten,
um diese uns von Herzen zu schenken.
Samstag, 14.10.2023
Agnone, trotz seiner Abgeschiedenheit,
war ein Zentrum liberaler Gelehrsamkeit.
Und seit dem Mittelalter werden hier Glocken gegossen.
Bei Marinelli ist viel heiße Bronze geflossen.
Ein Gießer, gut 60 Jahre im Beruf,
der schon so manche Glocke schuf,
beschreibt uns, was alles stimmen muß,
damit es klappt mit dem Glockenguß.
Aus Ziegeln und Lehm wird die Form konstruiert,
aus Wachs die Verzierung modelliert.
Ist die Bronze genug temperiert,
kann man sie in die Gußform leiten.
Sie braucht mehrere Tage, um zu erkalten.
Nach dem Guß kommen noch Feinarbeiten,
dann erst kann sich der Klang entfalten.
Es gibt noch Gefahren in späteren Zeiten:
manch Glocke stürzt herab und bricht.
Höchstens drei Prozent vom Glockengewicht
darf der Klöppel wiegen, und nicht mehr.
Ist der Klöppel zu hart, zu schwer,
oder trifft die Glocke ein Schlag, wenn es blitzt,
kann sie das der Länge nach spalten.
Unter dem Bergdorf Pietrabbondante,
das vorher kaum jemand von uns kannte,
fand man ein Heiligtum der Samniten,
erbaut vor Erscheinen der Christenheit.
Der Ort wurde kultisch und weltlich genützt,
es gab Tempeldienst wie Theaterspiel.
Den Samniten gelang es für längere Zeit,
den erobernden Römern die Stirn zu bieten.
Sie konnten sich schließlich dennoch nicht halten.
Ihre Bevölkerung ging in der römischen auf.
Vielleicht hat sie das vor dem Schlimmsten geschützt.
Ihre Stätte erlosch im Zeitverlauf.
Eine Klosterkirche im Trignotal,
Santa Maria di Canneto genannt,
ist errichtet im romanischen Stil.
Was sie so alles schon überstand:
Restaurierungen, ein ums andere Mal,
waren nicht immer sehr geglückt.
Gut hat sich da noch die Kanzel erhalten,
wenn auch an andere Stelle gerückt,
mit romanischer Plastik kunstvoll geschmückt,
mit Mönchs- und tierischen Gestalten,
daß sie den geneigten Betrachter entzückt.
Sonntag, 15.10.2023
Tausendvierhundertfünfzig Meter
über dem Meer findet sich ein Ort,
weitab vom üblichen Alltagsgezeter
und Campitello Matese mit Namen,
zu dem auf kurviger Straße wir kamen.
Hier weht ein kühler, feuchter Wind,
leicht atmen sich die frischen Lüfte,
enthalten keine starken Düfte.
Im Hochtal grasen Pferd und Rind,
während durch Hotels und Lifte
die Berge für den Wintersport
lückenlos erschlossen sind.
Jetzt, außerhalb der Skisaison,
merken wir nicht viel davon.
Ein Ausflug nach Saepinum lohnt.
In vorchristlicher Zeit von Römern bewohnt,
ist es heute ein Kleinod für Archäologen,
die die Stadt der Vergessenheit entzogen.
Umrahmt von der Stadtmauer mit vier Toren
liegen Forum, Theater, Vorratsamphoren,
die repräsentativen Gebäude
wie auch Häuser der einfachen Leute.
Von allen Ausgrabungsstätten des Molise
ist keine so gut erhalten wie diese.
Montag, 16.10.2023
Ruhetag! Die Gruppe teilt sich:
Inseln, Städtchen, Schattenwald.
Heute fahr’n wir nicht so bald!
Und der Tag beginnt gemütlich.
Winde wehen, Wellen schäumen,
Achim steigt beherzt hinein.
Das muß sehr erfrischend sein!
Enge Kurven zwischen Bäumen
lassen manche ganz schlecht träumen.
Gernot auf Idealplatzsuche,
bis dann Robert sagt: „DIE Buche
ist so gut wie jede and’re,
darum ich nicht weiter wand’re.
Hier wird Picknick jetzt gemacht!“
Zu zweit an diesem freien Tag,
da jeder tun kann, was er mag,
gehen wir an Bord eines Katamaran.
Ausgerechnet in der vorherigen Nacht
hat der Wind die Adria in Wallung gebracht.
Unter uns tobt das schwankende Meer,
die schäumende Gischt spritzt neben uns her.
Nach einer Stunde landen wir auf San Domino an.
Auf den Tremiti-Inseln ist es beschaulich.
Kleinvögel singen im Kiefernwald,
das Wetter ist mild, nicht zu warm, nicht zu kalt,
ein kleines Mahl erweist sich als bestens verdaulich.
Wir bewundern die Pflanzen, die hier im Freien
üppig wachsend uns erfreuen,
doch bei uns zu Hause kaum gedeihen.
In der Luft liegt ein Duft wie Liguster und Mandeln,
da muß es sich wohl um die Stechwinde handeln.
Sie trägt weiße Blüten und rote Beeren
und scheint sich hier mühelos zu vermehren.
Tagsüber hat sich der Wind gelegt,
abends ist das Meer nur noch wenig bewegt.
Die Fähre wiegt sanft uns hin und her,
die Rückfahrt nach Termoli genießen wir sehr.
Dienstag, 17.10.2023
In Gambatese gab es „Elitentausch“.
Der Regent und ebenso seine „Minister“
verloren ihre Position,
man entfernte sie schnurstracks von ihrem Thron.
Ein Neuer übernahm die Macht,
der war auf mehr Pracht im Castell bedacht.
Als er einen Künstler, den kaum jemand kannte,
der Donato Decumbertino sich nannte,
zum Maler seiner Wahl ernannte,
nahm dieser den großen Auftrag an
und zog sämtliche Register.
Er bemalte ohne erkennbaren Plan
im Renaissancestil, der damals der Mode entsprach,
die Wände in jedem Burggemach.
Mit Lust und Laune, im Farbenrausch
schuf er Szenen und Figuren,
mischte Themen und Kulturen.
Unmittelbar neben dem brennenden Rom
stehen zwei Türme von einem verfallenden Dom.
Ein halb geordnetes Bücherregal,
mythologische Gestalten,
Pfahlrohrpflanzen in großer Zahl,
ein flatternder Vorhang, von Ringen gehalten,
Tiere, Masken, Ranken und Reben:
Decumbertino hat hier alles gegeben.
Leider blieb etliches nicht erhalten.
In Campobasso, des Molise größter Stadt,
sind im Provinzialmuseum ausgestellt
Zeugnisse, die man gefunden hat
von der Samniten Lebenswelt.
Es zeigt sich, daß sie sich nicht isolierten,
sondern vielfältig interagierten,
mit anderen Völkern kommunizierten.
Man fand Waffen, Münzen, Schmuck und Skulptur,
Gefäße in allerlei Form und Größe
zum Kochen und für die Tischkultur,
Amphoren für die Vorratshaltung,
zur Beleuchtung Ölgefäße,
Irdenes für die Hausgestaltung.
Für der Toten letzte Reise
bedachte man diese mit Grabbeigaben.
Nicht nur die Samniten haben
Abschied genommen auf solche Weise.
Mittwoch, 18.10.2023
In Siponto sind aus romanischer Zeit
zwei Kirchen aus Kalkstein erhalten geblieben.
Die eine ist San Leonardo geweiht,
der hat Gefangene befreit.
Er hat sich der Aufgabe verschrieben,
diesen ihre Ketten zu lösen.
Ins Portal sind in sorgsamer Kleinarbeit
eingemeißelt Figuren und Wesen,
über deren Bedeutung kursieren Gerüchte;
außerdem Muscheln, Pflanzen und Früchte,
liebevoll ausgeführt, kunstvoll, erlesen.
Santa Maria Maggiore dagegen,
am Ortsrand von Siponto gelegen,
hat die Zeit nur zum Teil überlebt,
1223 hat hier die Erde gebebt.
Das schöne Portal ist deutlich lädiert,
die Kuppel gar gänzlich demoliert.
Für Besucher der Gegenwart
hat man aus filigranem Draht
einen Teil des Klosters rekonstruiert.
So kann man andeutungsweise erfahren,
wie es hier aussah vor hunderten Jahren.
Die frühromanische Krypta war verschlossen;
deren Anblick hätten wir gerne genossen.
Auf dem Monte Sant‘ Angelo, vor anderthalbtausend Jahren,
fanden Hirten eine Höhle und hatten eine Vision:
Erzengel Michael offenbarte sich ihnen,
auf seine Weise ist er erschienen.
Er hat den Hirten klargemacht:
in dieser Höhle hat er die Macht.
Mit der Zeit hat die Welt davon erfahren,
das brachte der Stätte hohen Ruhm.
Sie stieg auf zum bedeutendsten Heiligtum,
das Michael in Italien geweiht,
eine eifrig besuchte Pilgerstation,
ganz besonders zur Sommerzeit.
Donnerstag, 19.10.2023
Heute lassen wir uns fahren
dorthin, wo seit fünfhundert Jahren
Menschen aus Albanien
und auch aus Kroatien,
die Kulturen, Sprachen, Trachten
aus ihrer Heimat mit sich brachten,
ihre alten Wurzeln wahren,
sind sie privat bei sich zu Haus.
Treten sie aus ihrem Kreis
hinaus ins öffentliche Leben,
kennen sie sich dort gut aus,
können sich leicht hineinbegeben.
Ihre Dörfer kann man daran erkennen,
daß die Straßen sie in zwei Sprachen benennen.
Sie brachen aus diversen Gründen
die Brücken zu ihren Ländern ab.
Oft mussten sie von dort verschwinden,
und sie zahlten diesen Preis,
um eine Basis hier zu finden,
die man ihnen dann auch gab.
Beim Fahren haben wir improvisiert:
die Karten, egal, wie digitalisiert,
wollten die Wirklichkeit nicht sehen,
so musste Robert öfter mal drehen.
Die Tankanzeige meldete erhöhten Verbrauch,
und, zum Glück, eine Tankstelle fand sich auch.
Freitag, 20.10.2023
Gernot, der die Reise leitet,
hat minutiös sie vorbereitet,
hat viele Wochen vorher schon
mit Erfahrung und viel Wissen
zum Reiseziel Information
aufwendig zusammengetragen,
beantwortet zusätzlich unsere Fragen.
Ergibt sich eine Situation,
die den Plan hätt‘ umgeschmissen,
ist er Meister der Improvisation.
Robert, unser Kapitän,
ist nicht hoch genug zu loben.
Wenn im Bus und auf den Straßen
die Fährnisse auch noch so toben,
reagiert er stets gelassen
und bleibt beruhigend souverän.
Durch des Verkehres wilden Braus
steuert er sicher uns nach Haus.
Samstag, 21.10.2023
An der Rückreise zweitem Tag
gab es einen Geburtstag zu feiern:
für Gabi begann ein frisches Lebensjahr.
Wie gut sich das fügte, es passte perfekt,
als draußen der Verkehr erlag.
Was tut man, wenn im Stau man steckt?
Bei uns knallten die Korken, es floß der Sekt,
der Bedarf an Cantuccini war auch gedeckt,
einem feinen Gebäck mit Mandeln und Eiern.
Im Stau besteht oft die Gefahr,
daß sich die Laune der Gruppe trübt.
Gabi und Wolfgang hielten dagegen
mit toller Bewirtung, wie man sie liebt.
Erst als der Sekt getrunken war,
so daß nichts mehr aus den Bechern kippt,
fing der Bus wieder an, sich zu bewegen.
Die geplante Strecke fuhren wir nicht,
wir wichen dem Stau durch Umfahren aus,
so kamen wir noch bei Tageslicht
fröhlich und wohlbehalten nach Haus.
© Ingrid Hecker